Judith Fegerl - Solar: Jede Frau hat ihre eigene Solarzelle

2021-12-13 07:32:53 By : Ms. Mary Liu

Ganz prägnant als „solar“ betitelt, überrascht Judith Fegerl diesen Herbst bei Hubert Winter mit einer Einzelausstellung, die neben einigen alten Bekannten drei Gruppen neuerer Arbeiten aus diesem Jahr umfasst.

Es beginnt mit „last light“ (2021), einer Komposition aus acht gebrauchten Photovoltaik-Paneelen, die entlang einer horizontalen Mittelachse nach oben und unten ausgerichtet sind. Auch wenn diese Solarzellen scheinbar ausgeschaltet sind, können sie trotzdem betrieben werden. Nur im Dunkeln wären sie wirklich funktionslos. Aber so wie sie als symmetrisch angeordnete Komposition an der Wand hängen, sind sie Speicherorte permanenter und unsichtbarer Energie. Auch sie werden ein wenig alt und man kann fast die Spuren der Energiegewinnung an ihnen erkennen. Es stellt sich also die Frage, wie recycelt man eigentlich Sonnenkollektoren? Eine drängende Frage, auf die es noch keine endgültige Antwort gibt und eine Flut von Solarpanel-Abfällen der ersten Generationen wird uns in den nächsten Jahren buchstäblich überrollen. Immerhin bietet uns Judith Fegerl jetzt eine äußerst galante Lösung für dieses Problem. Jede Frau hat ihre eigene Solarzelle.

Beeindruckend ist auch die aus vier Werken bestehende „Reihe der Elektroschocks“ (2021). Dabei handelt es sich um großformatige polierte Edelstahlplatten mit einem Gewicht von ca. 15 bis 20 kg, die mit Kupfersäure in ein Becken gegeben werden. Elektroden werden hinzugefügt und das galvanische Bad ist fertig. Die Dauer der Anwendung und die Intensität des aus Sonnenenergie erzeugten Stroms führen zur Abscheidung von Kupfer und den unvorhersehbaren Ergebnissen. Denn zufällige Luftblasen schützen die Edelstahlplatte, damit es dort zu keiner Reaktion kommt. Die Edelstahlplatte bleibt mehrere Tage im Bad und durch Herausheben aus dem Bad wird auch der Vorgang gestoppt. Das Ergebnis sind erhabene Strukturen in rotbrauner Farbe, die je nach Geduld oder Ungeduld Fegerls beim Entfernen der Paneele aus dem Bad unterschiedliche Farben und Formen annehmen. Diese Arbeiten kommen der Strategie der Künstlerin im Umgang mit Elektrizität am nächsten, die sie als „prozessbasierte Entwicklung mit Unbekannten“ bezeichnet.

An der gegenüberliegenden Wand befindet sich die Serie 'ppcb' (2021), bestehend aus 12 verschiedenen Motiven. Leiterplatten, die normalerweise photochemisch mit Kupferlinien bedruckt werden, werden hier zu Druckplatten verarbeitet. Aus der Leiterplatte wird eine Leiterplatte. Die Tiefdrucke bestechen durch ihre unterschiedliche Haptik der unterschiedlichen Oberflächenstrukturen der Leiterplatten. In gewisser Weise wird hier das bereits bei „last light“ verwendete Kompositionsprinzip aufgegriffen und auf das Medium Papier übertragen. Aber auch die Phasen der Herstellung, des Transports und der Lagerung, die sich in vielen Werken Fegerls wiederfinden, lassen sich in diesem 400 Gramm schweren Büttenpapier nachvollziehen. Der Reiz liegt hier im Zusammenspiel und der Anordnung der ungenutzten Matrixplatten, die ornamentale Strukturen erzeugen.

Ein Wiedersehen mit alten Freunden im Hinterzimmer. Fünf der 'Stills', diese stillen Bodenobjekte aus Aluminium (2013), Kupfer (2018) und Messing (2021) aus Flossen, Stiften und Stöcken, stehen geschickt im energetischen Gleichgewicht mit einem meiner Meinung nach schönsten Beispiel für die "Reihe von Elektroschocks". Bleibt man länger in dieser Powerzelle, hat man sogar das Gefühl, in einem Akku zu verweilen.

Unterbrochen werden die gruppierten Serien von kleineren, einzigartigen Schmuckstücken, die manchmal wie utopisch-energetische Skizzen oder Relikte energieerzeugender Prozesse wirken. Auch in dieser Ausstellung bleibt Judith Fegerl sich selbst treu und macht mit Kupfer, Stahl und Aluminium Energieflüsse für uns sichtbar und erlebbar. Mit den Solarpanels, den Elektroschockern und den haptischen Matrixplattendrucken gibt es nun neue Varianten im Oeuvre dieses inspirierenden Künstlers.

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