Die irren Turbulenzen des Nickelpreises - Capital.de

2022-06-24 19:36:12 By : Ms. Tolohas Nicole

Es sind turbulente Zeiten: Der Nickel-Preis ist in den vergangenen Tagen von durchschnittlich 25.000 Dollar die Tonne auf bis zu 100.000 Dollar pro Tonne angestiegen, ehe er dann auf rund 50.000 Dollar absackte. Ein Kursanstieg von bis zu 400 Prozent. Die Londoner Metallbörse LME hat deshalb am Dienstag den Handel mit Nickel ausgesetzt und nachträglich alle Transaktionen des Tages annulliert. Es handele sich laut LME dabei um einen „noch nie da gewesen“ Preisanstieg, schrieb sie in einer Mitteilung.

Warum spielt der Nickel-Preis verrückt?

Der derzeit anhaltende Angriffskrieg Russland in der Ukraine und die damit zusammenhängende Sanktionen haben Auswirkungen auf den Nickel-Preis: Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist Russland nach Indonesien und den Philippinen der weltweit größte Exporteur des Nickels. Das Unternehmen, das weltweit am meisten exportiert, ist die russische Firma Nornickel. Bereits vor der russischen Invasion herrschten Engpässe, am Wochenanfang kamen zahlreiche Spekulationen auf einen Ausfall russischer Lieferungen hinzu.

Wofür wird Nickel gebraucht?

Nickel wird zum Großteil für die Produktion von nichtrostenden Stählen und Nickellegierungen eingesetzt. Dazu gehören Edelstahl, Münzen oder auch E-Gitarrensaiten. Einen kleinen Teil macht zudem die Herstellung von Batterien bei Elektroautos aus. Laut der US-Behörde United States Geological Survey wurden 2018 rund 2,4 Millionen Tonnen an Nickel gefördert.

Nickelproduzenten gehen häufig short (wetten also auf fallende Kurse), damit sie kommende Wertverluste ihrer physischen Bestände absichern können. Am Ende steht ein Nullsummenspiel: Preisbewegungen bei physischen Beständen und Short-Positionen sollen sich in Schach halten.

Die Metallmärkte sind derzeit allerdings fragil, weil viele Lagerbestände wegen der Spekulationen um einen Lieferausfall für viele Metalle aufgekauft worden sind. An den Märkten wird mehr Material gehandelt als physisch vorrätig, weshalb es bei den jetzigen Lagerbeständen zu hohen Margins kommen kann.

Ein Margin ist eine Art Kaution, die für die Absicherung notwendig ist. Wer nicht mitgehen kann, muss die Short-Position aufgeben, auch „Short Squeeze“ genannt. Das wiederum führt zu noch mehr Belastung für den Markt. 

Der Londoner Nickelmarkt befand sich in einem massiven Short Squeeze. Besonders schlimm betroffen war der chinesische Nickelgigant Tsingshan, der große Produktionsstätten in Indonesien und China besitzt. Die Holding hält eine massive Short-Position im Wert von 100.000 Tonnen auf dem Nickelmarkt der LME.

Weil der Preis in einer solchen Situation immer weiter steigt, standen immer mehr Spekulanten wie Tsingshan unter Druck. Diese kauften Nickel nach, um die Positionen auszugleichen und ihren Einstiegskurs nach oben zu korrigieren. Das wiederum führte zu einem noch höheren Preis. Das Handelssystem an der LME geriet außer Kontrolle, die Börse zog die Notbremse und setzte den Handel mit Nickel aus.

Gab es schon einmal eine ähnliche Situation?

An der LME ist bereits im vergangenen Oktober eine solche Preisexplosion passiert. Allerdings war es dort der Kupferpreis, der in die Höhe schoss. Ein Händler hatte damals die physische Lagerstätte leergekauft und damit viele Short-Positionen und den Kupferpreis in die Höhe gebracht.

Was sind die Auswirkungen der Preisexplosion?

Insbesondere die E-Auto-Branche leidet unter den steigenden Nickelpreisen. Die britische Marktforschungsgesellschaft Globaldata hat vorgerechnet, dass Deutschland daher sein Ziel von 15 Millionen Elektroautos im Jahr 2030 verfehlen könnte. Entwarnung gibt es aber von der Commerzbank: Ihr Analyst Daniel Briesemann sagte gegenüber der dpa, er erwarte eine Beruhigung des Handels, sobald der Short Squeeze durchgelaufen sei. „Dann sollte der Nickelpreis auch wieder deutlich tiefer notieren.“

Die LME teilte mit, dass es frühestens am Freitag wieder gehandelt werden würde. Die Unsicherheit sei derzeit zu groß, um den Markt früher zu öffnen. Tshingshang hat sich ein Paket von Krediten gesichert, um Nachschussforderungen begleichen zu können. Damit soll der aktuelle Liquiditätsengpass ausgeglichen werden. Tshinghan-Chef Xiang Guangda sagte, dass ein möglicher Ausstieg aus Wetten gegen Nickel in Erwägung gezogen würde. Dies würde eine komplette Strategieänderung bedeuten, schließlich ist das Shorten im Nickel-Business bislang überaus üblich. Dem Unternehmen drohen selbst bei einem Preis von rund 50.000 Dollar pro Tonne Milliardenverluste.

© G+J Medien GmbH