DERMATOLOGIE: Nickel – Feind der schönen Haut

2022-10-07 23:53:23 By : Ms. judy zhu

Das in zahllosen Alltagsgegenständen enthaltene Metall verursacht trotz neuer Verordnungen immer noch die meisten Kontaktallergien. Es gibt fast kein Entrinnen.

Lajos Schöne und Hans Graber

Wer schön sein will, muss leiden: Diese Erfahrung machen viele Frauen und auch manche Männer, die ihr Aussehen mit Piercings und Modeschmuck zu optimieren trachten. Der Kontakt mit nickelhaltigen Utensilien auf der Haut oder in Nase, Ohren, Lippen oder Genitalien kann zu Entzündungsreaktionen der Haut führen und eine Überempfindlichkeit gegen alle nickelhaltigen Gegenstände im täglichen Leben auslösen. Und das sind so einige.

Etwa 7% der Bevölkerung erkranken jährlich an einem allergischen Kontaktekzem. Es kann alle Altersschichten betreffen, das Geschlechterrisiko indes ist ungleich verteilt: Der Anteil der Männer, die im Laufe ihres Lebens an einem Kontaktekzem erkranken, liegt bei nur 3,4%, bei Frauen dagegen bei 12,7%.

In einem «Informationsverbund dermatologischer Kliniken» (IVDK) sind fünf aus der Schweiz (Aarau, Basel, Bern, Lausanne, Zürich) sowie 51 aus Deutschland und Österreich zusammengeschlossen. Sie veröffentlichen in regelmässigen Abständen ihre «Hitliste» der bei allergischen Tests am häufigsten ermittelten Kontaktallergene. Aus den jetzt im «Allergo-Journal» veröffentlichten Daten geht hervor: Unter den von 2013 bis 2015 untersuchten 11819 Patienten aus den drei Ländern sind 16,7% auf Nickelsulfat sensibilisiert.

Damit erweist sich Nickel zum wiederholten Male als die häufigste Ursache eines allergischen Ekzems. Erst mit weitem Abstand folgen unter anderem Kobalt, die in Kosmetika verwendeten Konservierungsmittel MCI und MI oder Chrom.

Das Ergebnis enttäuscht die Fachleute: Nach der 1994 erlassenen und 2004 revidierten EU-Nickel-Direktive («Nickel darf nicht in Schmuck und anderen mit der Haut in Berührung kommenden Produkten enthalten sein») ging nämlich die Zahl der Sensibilisierungen bei Frauen unter 30 Jahren zunächst deutlich zurück. Seither ist jedoch keine wesentliche Veränderung mehr eingetreten. Ein solcher stabiler Trend auf hohem Niveau zeugt eher von einem Misserfolg der Nickelverordnungen.

Nickel lässt sich leicht schmieden und polieren, zudem glänzt es schön. Das silberweisse Metall verwendet man seit Urzeiten. 1751 wurde es vom schwedischen Baron Axel Fredrik Cronstedt als eigenständiges Element erkannt.

Ein Hauptproblem: Nickel kann durch Schweiss aufgrund dessen Chloridgehalts und des sauren pH-Wertes in eine lösliche Form gebracht und aus dem Metall herausgelöst werden.

Deshalb machen sich nickelbedingte Kontaktekzeme besonders in der warmen Jahreszeit bemerkbar. Ob eine Sensibilisierung stattfindet, hängt von mehreren Faktoren ab: Die Menge und Konzentration des Allergens sowie die Zeitdauer, welche man ihm ausgesetzt ist, sind ebenso entscheidend wie die Zusammensetzung des Schweisses, eine Reizhaut, eine vorgeschädigte Hautbarriere und/oder eine persönliche Veranlagung.

An Möglichkeiten, im Alltag mit Nickel in Berührung zu kommen, mangelt es nicht. Früher lösten vor allem Strumpfhalter, BHs oder Stricknadeln Nickelallergie aus. An deren starker Zunahme hat das heute populärste Bekleidungsstück des Alltags eine Mitschuld: die metallenen Knöpfe der Jeanshosen.

Mögliche Nickelquellen am Körper sind aber auch Armbanduhren, Brillengestelle, Reissverschlüsse oder Gürtelschnallen. Nickel enthalten aber auch Bestecke, Druckknöpfe, Küchengeräte, Schuhe, Feuerzeuge, Haarnadeln, Türklinken oder Schlüssel.

Auch Zahnspangen, Batterien von Hörgeräten, Rasierklingen und Apparate zur Nassrasur können Nickel enthalten. Im Bereich der medizinischen Hilfs- und Pflegeberufe muss man genauso oft mit nickelhaltigen Substanzen umgehen wie in der metallverarbeitenden Industrie, im Baugewerbe, in der Landwirtschaft und insbesondere im Coiffeurberuf.

Legierungen mit anderen Metallen besitzen oft hohe Nickelgehalte: So enthält etwa Weissgold aus der Schmuckindustrie 10 bis 13% Nickel, Neusilber, das in Essbestecken, Blasinstrumenten, medizinischen Geräten, Reissverschlüssen und Saiteninstrumenten verwendet wird, 5 bis 30 Prozent Nickel. Mit bis zu 65 Prozent ist Nickel in Brillendraht oder auch als Kupferlegierung in den Monelsaiten von Gitarren vorhanden.

Eine zunehmend wichtige Quelle von Beschwerden sind die beim Piercing verwendeten Metallteile. Eine Untersuchung förderte in jedem dritten derartigen Produkt eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte zutage. Das Tragen von Piercings in jungen Jahren erhöht die Wahrscheinlichkeit, als Erwachsener eine Nickelallergie auszubilden. Und Personen, die von einer Nickelkontaktallergie betroffen sind, bleiben meist lebenslänglich, auch nach längerer Nickelkontaktfreiheit, allergisch.

Kontaktekzeme äussern sich mit juckenden Rötungen der Haut. Es bilden sich nässende Bläschen oder Quaddeln, die anschliessend in Krusten und Schuppen übergehen. Nickelhaltige Zahnprothesen oder Zahnspangen können zu Entzündungen der Mundschleimhaut führen. Allergische Reaktionen auf Implantate können sich als lokale oder ausgedehnte Ekzeme äussern. Aber auch Wundheilungsstörungen, verzögerte Heilung von Knochenbrüchen und Nesselsucht kommen als allergische Reaktionen vor.

Wer auf Nickel allergisch reagiert, sollte am besten versuchen, das Allergen konsequent zu meiden. Das ist allerdings weit schwieriger, als man denkt: In der Kosmetikindustrie wird Nickel in Gesichts- und Rasierwasser und Haarpflegemitteln verwendet. In der Waschmittelindustrie werden nickelhaltige Katalysatoren eingesetzt. Auch unser Geld ist nickelhaltig: Die aktuellen Umlaufmünzen der Schweiz bestehen nach Angaben der Nationalbank aus 75% Kupfer und 25% Nickel.

Ein weiteres Risiko kann beim Kochen entstehen: Saure Früchte und Gemüsesorten können aus rostfreien Edelstahltöpfen Nickel freisetzen. Auch Dosenware kann Nickel enthalten.

Zudem findet sich Nickel in vielen Lebensmitteln. Gerhard Müllner, Co-Chefarzt Allergologie/Dermatologie am Luzerner Kantonsspital, betont aber, dass nickelhaltige Nahrungsmittel als mögliche Auslöser von Ekzemen in Fachkreisen etwas kontrovers diskutiert würden. «Möglicherweise spielt das nur bei schweren Nickelallergikern eine Rolle.»

Auf ein ungeahntes Risiko stiess kürzlich die französische Dermatologin Claire Maridet aus Bordeaux. Eine ihrer auf Modeschmuck allergischen Patientinnen kam in ihre Sprechstunde, weil sich am Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand ein Ekzem entwickelt hatte. Bei der Befragung stellte sich heraus: Die Frau war acht Monate zuvor aus gesundheitlichen Gründen auf eine E-Zigarette umgestiegen. Das Griffteil des Geräts war durch den Schweiss der Hand korrodiert und setzte Nickelionen frei.

Also doch lieber bei den richtigen Zigaretten bleiben? Nein, denn das ist nicht nur sehr ungesund, und es hat auch in Zigaretten Nickel drin.